Mittwoch, 2. September 2009

Willkommen im Salento

Willkommen im Salento
Liebe Italien-Freunde im Allgemeinen und Salento-Freunde, oder die's noch werden wollen, im Besonderen.
Das hier ist ein Blog, der eigentlich ein Buch sein sollte. Da ich aber bisher noch kein Angebot für eine Veröffentlichung bekommen habe, beginne ich jetzt einfach mal mit der Veröffentlichung hier im Blog.
Falls Sie der Salento interessiert, können Sie mir gerne jede Art von Fragen stellen. Ich werde mich um rasche und ausführliche Antworten bemühen.
Falls Sie den Salento auf eigene Faust erkunden wollen, helfe ich Ihnen gerne bei gut ausgesuchten Unterkünften, sehen Sie rechts auch Fotos der Appartements.
Ansonsten wünsche ich mir einfach nur, dass Sie gerne meine Posts lesen und, idealerweise mit mir darüber schmunzeln. Mein Leben als deutsche Italienerin in Italien. Geplant sind 12 Monate.
A presto
Claudia Litti

Juli. Mamma li turisti!

Juli

Die salentinischen Vormittage im Juli sehen zwei verschiedene Arten von Italienern: Die, die noch voll arbeiten müssen und zwischen acht und neun Uhr in die Büros und Fabriken fahren und die, die hier Urlaub machen. Den einen kann man ihren bevorstehenden Arbeitstag ansehen, die anderen erkennt man daran, dass sie in aller Ruhe erst mal Cornetti (Hörnchen – will heissen, die italienisch-üppige Version der französischen Croissants. Es gibt sie u.a. mit Nutella gefüllt, leeeecker, aber tödlich für die Linie und sämtliche Kleidungsstücke, die Sie beim Verzehr tragen…)für die ganze Familie holen gehen oder sogar in der Bar frühstücken. Und dann gibt’s noch die, die in der Touristenbranche arbeiten. Darunter versteht man nicht nur direktes Restaurant- oder Hotelpersonal. Vielmehr arbeiten alle Läden, die Mitte/Ende Juni geöffnet haben, mit Saisonpersonal. Die sind auch außerhalb ihres Arbeitsplatzes daran zu erkennen, dass sie den ganzen Sommer über weiß bleiben.

Der salentinische Mittag und Nachmittag ist gekennzeichnet von gleißendem Sonnenschein, Hitzespitzen über 35Grad sind keine Seltenheit. Der Salento ist, wie Sie inzwischen wissen, eine Halbinsel. Folglich geht hier immer Wind und auch sehr hohe Temperaturen sind auszuhalten. Besonders natürlich, wenn man nicht arbeiten muss….

Trotz Klimaanlagen in sämtlichen Büros und Geschäften sind die Öffnungszeiten so auseinander gezogen, dass man sich immer beeilen muss, wenn man mehr als eine Erledigung zu bewältigen hat. 9.OO Uhr bis 13.OO Uhr und 17.30 Uhr bis 21.OO Uhr in Geschäften, 19.30 Uhr in Büros. Das sind die üblichen Sommer-Öffnungszeiten. Viele Heimwerkerläden und auch viele öffentliche Ämter haben die „apertura matutina“ eingeführt, also Öffnungszeiten nur am Vormittag. Sprechzeiten von 8.00 – 13.30 Uhr und dann ist bis zum nächsten Morgen ein halber Tag frei. Auf diese Weise werden die längeren Arbeitszeiten des restlichen Jahres ausgeglichen und Herr oder Frau Beamter und das Heer an Schrauben-Verkäufern kann noch nachmittags nach der Controra (siehe Juni) schwimmen gehen. Wenigstens ein halbtägiger Urlaub ist so drin.

Der salentinische Sonnenschein im Juli unterscheidet sich von dem des salentinischen Augusts: ich habe ihn mit gleißend beschrieben und das trifft die Sache ganz genau. Es ist alles heller im Salento im Juli und selbst wenn man im Haus die Läden schließt, um die Sonne oder vielmehr die mit der Sonne einhergehende Hitze nach Draußen verbannen möchte, so durchdringt sie doch das mittägliche Schlafzimmer durch die wenigen Ritzen, lässt die Staubpartikel in der Luft stehen, so heiß sind die Strahlen. Die Juli-Sonne ist direkt gewalttätig: Sie verbrennt Sonnenanbeter, die sich nicht vor ihr in Acht nehmen, gnadenlos. Sie verzeiht keinen Tag vergessenes Blumengiessen, sie versengt die vielen grünen Wiesen im Salento und macht braune Staubwüsten aus ihnen. Sie ermattet die Armen, die hart in der Sonne arbeiten müssen. Ich wohne, wie ich Ihnen auch schon berichtet habe, mitten in der Campagna. Um mich herum nur Olivenhaine und 2-3 Ferienhäuser, die nur im salentinischen Sommer bewohnt werden. Im Juli kommen die Bauern schon um 5 Uhr morgens mit ihren knatternden Ape an und widmen sich der Arbeit im Hain. Sie pflücken Kapern, die jetzt reif sind, sie hacken die wilden Triebe an den Olivenbäumen ab und verbrennen sie, sie mähen das staubtrockene Gras, das im Wind steht und so verdorrt ist, dass es sich schon fast vom Hinsehen entzündet. Viel mehr ist in einem Olivenhain nicht zu tun. Da arbeiten sie im Juli 2 Stunden am frühen Vormittag, rücksichtslos alle um sich herum mit dem Geknatter ihrer Ape weckend. Schließlich sind WIR hier her eingedrungen. Ihn, den Bauern, den gab es schon zu Urzeiten. Also nehme ich das gelassen. (Jedenfalls fast immer…) Genauso wie die vielen ungefährlichen Schlangen, die sich vorsichtig (denn die Hunde sehen in ihnen ein willkommenes Spielzeug für ihren Jagdtrieb…) den feuchten Stellen im Garten nähern(und derer gibt es viele, ich liebe Blumen und würde, wenn’s sein muss, lieber auf einmal duschen verzichten, als nicht zu gießen…). WIR haben ihren Habitat bevölkert. Deshalb nehme ich schon mal eine vorsichtig mit der Grillschere auf und setze sie auf der Trockenstein-Mauer wieder ab.….Ganz anders geht es auf den Feldern zu, die künstlich bewässert und bestellt werden. Da beginnt die harte Arbeit um 5Uhr in der Früh und endet oft erst, wenn die Sonne so hoch steht, dass das auf und ab nicht mehr möglich ist. Jetzt gibt es Mega-Wassermelonen für einen Euro, Pfirsiche, die ersten Trauben, Zucchini, Auberginen, Paprika, Tomaten….

Apropos Tomaten:
Zwischen Mitte Juli und Mitte August ist Einmachzeit. Haben Sie sich schon mal gewundert, wie gut die selbstgemachte Tomatensosse beim Italiener in Italien schmeckt? Der Trick liegt beim Einmachen im Hochsommer! Wenn man im Juli an den salentinischen Feldern vorbeifährt, sieht man an der Strasse entweder Schilder, oder gleich ganze Kisten voll bepackt mit Tomaten. „Pomodori per la Salsa“. Mit „Salsa“ ist hier nicht der lateinamerikanische Tanz gemeint, wie Sie sich vorstellen können. Hier geht es vielmehr die nicht fertig gekochte Tomatensoße, die in Flaschen oder großen Einmachgläsern verpackt in keinem italienischen Haushalt fehlen darf. Die fertige Sosse, um genau zu sein die, die auf der Pasta "thront", heisst übrigens dann "SUGO".
Die Tomaten werden also kistenweise (kistenweise! Die Salentinerin kleckert nicht. Sie klotzt!) gekauft (nur die wenigsten pflanzen Tomaten heute noch selbst an). Dann organisiert man mit der Familie den „Salsa-Tag“: Hierbei ist es wirklich wichtig, zu mehrt zu sein. Alleine schafft man das nicht in kurzer Zeit. Aufstehen um spätestens 6 Uhr. Die Tomaten werden gewaschen, ihr grüner Ansatz entfernt. Dann werden Sie in Riesenbottichen auf einer eigens dafür gekauften Gasplatte „angekocht“. Sehr viel frischer Basilikum kommt hinzu. Mit einem Riesenkochlöffel rührt man die Tomaten, die langsam unter der Hitze (inzwischen von oben und von unten..)aufplatzen. Wenn sie relativ verkocht sind, dann beginnt das Durchdrücken. Kennen Sie das Passiersieb? Ja. Dasselbe in riesig, denn die Quantitäten sind mit normalem Küchengerät nicht zu schaffen. Bottiche, Gasplatte (zum auf den Boden stellen) und Riesenpassiermaschine, halbautomatisch oder ganz automatisch, werden meistens gemeinsam angeschafft. Großmutter, Mutter und Tochter, oder querfamiliär die Schwestern und Schwägerinnen, seltener auch die Nachbarinnen. Alle helfen mit, dann geht’s schneller, dann macht man am Montag die Salsa von Concetta, am Dienstag die von Antonella und am Mittwoch die von Assunta. Das Gerät ist nicht billig, aber geteilt durch 2 oder 3 oder noch mehr wird daraus die jährliche Salsa-Kooperative. Hunderte von Flaschen oder Gläsern werden eingemacht, keine Hausfrau macht „die Salsa“ nur für sich alleine, dazu ist der Gesamtaufwand viel zu hoch. Enza macht sie für die Mamma mit, weil die nicht mehr alleine kann, oder für ihre Tochter Giulia (auch wenn sie in Mailand lebt. Dann muss sie sie mit dem Auto nach dem Urlaub mitnehmen). Auch der Sohn Luca in Florenz oder die Schwester Maria, die in Turin leben, werden mitversorgt. Sie machen sich keine Vorstellung davon, wie viele Salsa-Flaschen Ende August beim „Grande rientro“ – also beim großen Zurückfahren über die italienischen Autobahnen gekarrt werden, gemeinsam mit Tonnen von Olivenöl, alles „produzione propria“ – Marke Eigenbau eben! I pomodori, die Tomaten, haben ihren italienischen Namen übrigens von der Übersetzung „goldener Apfel“ – pomo d’oro, weil sie anfänglich gelb sind und dann erst rot werden. Während der deutsche Wortstamm, der sich auch im Englischen hält, direkt aus dem aztekischen Wort „Tomat“ kommt.
Zurück zur Salsa, die dann als Sugo auf den Tisch kommt: Keine Tomatensoße, die man im Supermarkt kaufen kann, schmeckt vergleichbar. Frische Tomaten haben einen ganz eigenen Geschmack auf der Pasta. Der typisch säuerliche Nachgeschmack wird nicht vom künstlichen Zuckerzusatz überdeckt. Auch ist die Farbe anders, heller nämlich. Kein Farbzusatz will uns vom richtigen Rot der Pomodori überzeugen. Selbstgemachte Tomatensoße schmeckt fantastisch. Und darf in keinem italienischen Haushalt in industriellen Quantitäten fehlen. Man hat das ganze Jahr davon. Wenn die Soße die Passiermaschine durchlaufen hat, kommt sie, wie gesagt, in mehr oder weniger große Behältnisse und die Flaschen werden sterilisiert. Dafür gibt es zwei verschiedene Verfahren: Das Erste ist, die brühend heißen Flaschen in Decken und Tücher zu wickeln und so noch wenigstens 24 heiß zu halten, dann sterilisieren sie sich von selbst. Da muss man aber echte Expertin sein. Wenn sie nämlich vorher auskühlen, kann es sein, dass die ganze Partie in den Flaschen gärt…..die zweite Methode ist „Bagno Maria“ – poetisches Wort für das Wasserbad-Verfahren, in dem die Flaschen mit der Salsa drin nochmals für mehrere Stunden ausgekocht werden.

Und so werden oft Hunderte von Flaschen für den langen salentinischen Winter eingebunkert, an Familienmitglieder weitergegeben oder auch an die Norditaliener, die hier im Urlaub sind, verkauft. Das ist das neueste Business, am Tourismus zu verdienen, selbst wenn man überhaupt nichts mit dem Touristen selbst zu tun hat. Vor jedem zweiten Ferienhaus am Meer hängt ein Schild: „Vendesi Olio D’Oliva di produzione propria“ – „Vendesi Salsa fatta in casa“ – „Capperi appena raccolti“ oder dessen mehr. Will heißen: “hier gibt’s eigenes Olivenöl, Tomatensoße oder frisch gepflückte Kapern zu verkaufen”. Die Mailänder oder Turiner zahlen dafür ohne mit der Wimper zu zucken Preise, die ihnen, trotzdem sie eindeutig erhöht sind, nicht zu teuer für solch natürlichen Produkte erscheinen. Direkt vom Hersteller – in Mailand oder Turin unbezahlbar.


Der Juli im Salento wird charakterisiert von vielen Bräuchen, die dem Mitteleuropäer sehr fremd sind. Nehmen wir beispielsweise die vielen Menschen, die sich nach Ablauf der Controra (siehe Juni) mit dem Stuhl auf die Strasse vor’s Haus setzen und bis zur Abendbrotzeit ihre sozialen Kontakte pflegen, quatschen, klatschen. Wäre in Mittel- oder Nordeuropa NIE drin. Man kann unmöglich „NICHTS“ tun. Und wenn man Freizeit hat, dann liest man doch lieber ein Buch, ist es nicht so? Nun, hier liegen die Dinge noch anders. Man legt mehr Wert auf zwischenmenschliche Beziehungen, man ratscht am Spätnachmittag gerne ein paar Stündchen, schaut ab und zu nach dem Essen auf dem Herd, tauscht sich aus und entflieht so der Hitze, die sich im Haus angestaut hat. Ich muss zugeben, dass ich als Mitteleuropäerin immer ein wenig verächtlich auf die Signore herabgeschaut habe, weil ich ja immer beschäftigt bin und für solche sogar regelmäßigen Müßiggänge überhaupt keine Zeit habe. Heute sehe ich das anders: SIE haben’s besser als ich, weil sie sich Zeit nehmen, ihren Tag nicht bis obenhin vollpacken und ständig gestresst und unbefriedigt sind, weil sie ihren selbst auferlegten Pflichten nicht gerecht werden können. Ich denke, liebe Leser und Leserinnen, DA liegt der wahre Unterschied zu den mediterranen Völkern und den Mittel- und Nordeuropäern. Das ist das „Savoir vivre“. Natürlich, ist man mal im Rad der Zeit, mit Arbeit, Familie und vielen anderen Arbeiten, die erledigt werden müssen, angekommen, fällt es schwer, sich einfach für ein paar Stunden auf die Strasse zu setzen und den abkühlenden Nachmittag zu genießen. Alle jungen Frauen und Männer hier im Süden werden Sie unverständlich ansehen, wenn sie ein wenig Neid äußern ob der Fähigkeit, nichts tun zu können. Der Stress hat auch den Süden erreicht. Nach getaner Arbeit huscht man mittlerweile auch hier zu den nächsten Verpflichtungen, den Klavierstunden für die Tochter, dem Zahnarzttermin für den Sohn, nicht selten wartet ein zweiter oder dritter Job, um über die Runden zu kommen. Hausfrau können nur noch die wenigsten sein. Das ist dann schon Luxus.

Favorite?
Eine weitere Eigenart des Südens heißt: „Favorite“ oder „Darf ich Ihnen etwas anbieten?“. Wo immer Sie sich befinden, am Strand umzingelt von Hunderten von Italienern, im Zugabteil, im Wartesaal am Fluggate: Wo immer ein Süditaliener sein Vesper auspackt, wird er Ihnen mit einem freundlichen „Favorite“ etwas anbieten. Es mutet dem Mitteleuropäer befremdlich an, von einem Wildfremden (das Wort gibt’s im Italienischen auch nicht…) angesprochen zu werden, der einem mit einem aufmunternden Lächeln sein voll belegtes Brötchen oder die Aluminiumschale mit einer kalten Parmiggiana hinhält. Ich glaube nicht, dass er es wirklich ernst meint, dass Sie an seinem Brötchen abbeißen sollen. Aber die Geste ist vielsagend. Kein echter Süditaliener nimmt Speis und Trank nur für sich selbst mit auf Reisen. Es ist immer ein bisschen mehr. Gastfreundschaft auf Rädern, wenn Sie so wollen. Es genügt auch nicht, dass Sie „no grazie“ sagen. Es gehört sich schon ein „gentilissimo/a, come se avesse favorito“ – „Sie sind sehr freundlich. Tun wir so, als ob ich angenommen hätte.“ Es gibt sie hier noch: die Riten, die Freundlichkeiten. Der Süditaliener ist entzückt, wenn Sie richtig antworten. Es ist natürlich auch eine Möglichkeit, anzubandeln, die eigene Neugierde zu befriedigen. „Ahhhhh, Lei parla l’Italiano, bravo/a, bravo/a. E’ qui in vacanza? Vi piace il Salento?” – Ah, Sie sprechen Italienisch, ja super. Sind Sie im Urlaub? Gefällt Ihnen der Salento? – und schon können Sie Ihre Zeitung oder Ihr Buch weglegen, denn Ihr Gegenüber hat angebissen und wird Sie nicht mehr loslassen. Schon erfahren Sie, dass ihr/sein Schwager und die Schwester in der Schweiz leben, dass die Cousine demnächst heiraten wird und dass Sie sich den schönsten Platz der Welt zum Urlaub machen ausgesucht haben. Man wird darüber lachen, dass Sie sagen, es sei aber heiss hier. „Sisi”, wird man Ihnen antworten, “fa caldo. Ma questo è il bello dell’estate.” – jaja, es ist schon heiss, aber dass ist ja das Schöne am Sommer.

Wenn Sie den italienischen Sommer zum Urlaubsmonat auserkoren haben, können Sie eintauchen in italienische Gepflogenheiten. Der Gang zum Strand wird zum Spiessrutenfahren für das Auto: Geordnete Parkplätze sind nur schwer zu finden. Jeder parkt so, wie er gerade ankommt. Die Mitteleuropäische Rücksichtnahme wird mal wieder auf eine harte Probe gestellt, denn ordentliches Parken böte Platz für ein Drittel mehr Fahrzeuge. Ma a chi importa, wen juckt das schon! Mit Sack und Pack geht’s ans Meer. Der Asphalt glüht schon um 10 Uhr morgens, der kurze Weg zum Strand wird zum Gang nach Canosa. Sie wundern sich, der Strand ist noch relativ leer. Trotzdem Hunderte von Autos an der Küstenstrasse. Wo sind die Leute bloß alle? Nehmen Sie die Zahl der Sonnenbadenden und multiplizieren Sie sie mit 2 (mindestens) und Sie haben die vielen Autos. Antonio kann länger bleiben als Rita. Silvia ist mit den Kleinen schon seit 9 Uhr da und Rosaria kam nach, nachdem sie eingekauft hatte. Als Mitteleuropäer suchen Sie sich Ihren idealen Sonnenplatz aus. Das Meer ist spiegelglatt, der Sand schon gut warm und Sie haben noch die Auswahl. Lassen Sie sich sagen, es ist völlig gleichgültig, wo Sie sich hinlegen werden. Spätestens eine Stunde später werden Sie umringt sein, umzingelt, man wird Ihnen auf die Pelle rücken. Den Italienern macht die körperliche Nähe zu Fremden nichts aus. Pech für Sie, wenn Sie damit nicht zurecht kommen. Aber alles hat schließlich seine Vor- und Nachteile: Der Nachteil ist, dass Sie Ihre ganze Kraft aufbringen müssen, um sich auf Ihr Buch konzentrieren zu können, bei dem Geschrei und Gegackere um Sie herum. Der Vorteil ist, dass Sie sofort fürsorglich behandelt werden, wenn sich ein Sonnenbrand anbahnt….Man macht Sie lachend darauf aufmerksam und bietet Ihnen einen Platz unterm Schirm an, falls Sie dessen ledig sind. Oder Sie bekommen sofort Erste Hilfe, falls Sie eine unangenehme Begegnung mit einer Qualle hatten (kommt selten vor, passiert aber meistens den Touristen). Außerdem hält man Sie und Ihre liebe Familie notfalls mit Gewalt davon ab, sich ins kühle Nass zu stürzen nachdem Sie etwas gegessen haben. Selbst der Verzehr eines Pfirsichs kann laut den Italienern schon eine „indigestione“ also eine Verdauungsstörung mit nachfolgendem Herzstillstand auslösen. Sie haben nicht lange Urlaub, also wollen Sie die Zeit so gut wie möglich nutzen und bleiben sicherlich über Mittag am Strand. Langsam, gegen 12.30Uhr leert sich der Ameisenhaufen. Zurück bleiben Sie und einige Hartgesottene jüngere Leute oder Familien, die aus dem Landesinnern auf einen Tagesausflug ans Meer gekommen sind. Alle anderen, italienische Touristen inklusive, treten den Heimweg an. Auf ebendiesem wird noch schnell was eingekauft und dann zieht man sich zum Essen in die kühle Casa zurück. Wenn Sie schließlich krebsrot und fix und fertig von der Hitze gegen 15 oder 16 Uhr den Heimweg antreten, finden Sie menschenleere Strassen. In den Bars sitzen einige bei einer kalten Granita (zerstoßenes Eis im Glas mit Zitronen- oder Minzgeschmack) und hören die lokale Radiostation. Aber sonst: Das Nichts der Controra hat sich auf den glühenden Strassen breitgemacht. Und wenn Sie es sich dann nach einem späten Mittagessen wieder mit einem guten Buch auf der leicht bewindeten, schattigen Terrasse bequem gemacht haben, beginnt das Leben auf den Strassen langsam wieder: Knatternde Motorräder und Vespas, lärmende Kinder und der obligatorische Autocorso füllen die sengende Nachmittagsluft. Man organisiert sich für den Abend. Die Sommerabende sind voller Veranstaltungen und angenehmen Abendessen mit Freunden, die man lange nicht gesehen hat und die vom Norden heimgekehrt sind, um Urlaub zu machen. Der Abend selbst beginnt spät. Selbst das Abendessen wird hier im tiefsten Süden sehr spät eingenommen. Vor einigen Jahren noch wurde man sehr erstaunt angesehen, wenn man um 20 Uhr oder gar früher schon Hunger hatte und sich in eines der vielen Lokale begab und ein Abendessen begehrte. Mitten im Sommer, bei DEN Temperaturen, kann man vor 21.30 Uhr gar nicht ans Essen denken. Inzwischen hat sich die Gastronomie auf ausländische und vom hohen italienischen Norden kommende Gäste eingestellt und bietet schon ab 19.30 Uhr, wenn die Sonne noch, wenn auch schon tief, am Himmel steht, die Abendmahlzeit an. Aber echte Italiener, die speisen sehr spät. Keinesfalls wird zu Abend gegessen, solange es noch hell ist. Das ist bei den Einheimischen ein absolutes „No-Go“. Danach wird flaniert. Die hochhakigen Schuhe werden ausgeführt, schicke Glitzerkleider funkeln hier im Abendschein. Hier passt das alles. Selbst in die Pizzeria zieht die italienische Frau sich sehr schick an. Also ich glaube, sie tut da gar nichts besonderes dazu. Es ist ihr einfach mitgegeben. Ich könnte Ihnen gar nicht genau sagen, woran das eigentlich liegt. Mitteleuropäische Frauen haben immer einen Hang zum Praktischen. Der geht den Südländerinnen ab. Dafür sehen die auch in Glitzer und Pailletten irgendwie immer gut aus.

Es ist also Abend geworden im salentinischen Hochsommer. Nach dem Abendessen gibt es hier Konzerte auf den vielen Piazze, sie sind alle gratis. Man kann guten Jazz, Klassik, die traditionelle Pizzica usw. hören. Ein Blick in die Tageszeitung oder auch den Veranstaltungsführer, der im Sommer vierzehntägig erscheint und Sie haben die Qual der Wahl. Meistens sind diese Konzerte Teil eines Dorffestes oder einer Sagra (siehe Juni). Jüngeres Publikum zieht es in die vielen Open-Air-Diskotheken oder zu Beach-Partys. Da wird das unschuldige Strandbad, dass Sie von tagsüber kennen zur nächtlichen Tanzhöhle. Diese Beach-Partys sind ebenso beliebt, wie sie eigentlich verboten sind. Die wenigsten Strandbäder sind eingerichtet auf so viel nächtliches Publikum. Aber Sie können sich vorstellen, dass ein Cuba libre oder eine Mohita oder eine Caiphirina besser im Fackelschein, bei toller Musik, im Sand tanzend schmecken ….Hier gibt es im Gegensatz zu den Diskotheken keinen Kleiderzwang, hier kommt jeder rein, das Völkchen ist bunt gemischt und tanzt happy bis in die Morgenstunden. Und wer nicht mehr Autofahren kann, legt sich in den feuchten, kühlen Sand und wartet die wärmenden Sonnenstrahlen ab. Verboten sind diese Partys vor allem deshalb, weil im Prinzip die elementarsten Vorkehrungen sowie Hygienemaßnahmen fehlen. Natürlich auch, weil die Diskotheken-Lobby dagegen ist. Schließlich machen die Strandbäder denen ordentlich Konkurrenz. Inzwischen haben die Strandbäder nachgebessert und sind ein echter, inzwischen von allen offen gehandelter Geheimtipp geworden. Und weil sie IM Strandbad vielleicht nichts mehr finden, gängelt die Polizei oft vor den nächtlichen Vergnügungsstätten. Strenge Alkoholkontrollen sind an der Tages – pardon – Nachtordnung. Trotzdem: Wenn man versucht, mitten im Sommer so gegen 4 Uhr morgens von Gallipoli auf der Küstenstrasse nach Süden zu fahren, meint man, man sei in Rom mitten in der Rush-hour. So was können Sie sich nicht vorstellen. Es hupt überall und nichts geht mehr, der volle Stau noch bevor der neue Tag anbricht. Spätestens dann weiß jeder Salentiner: Sie sind da, die Touristen. Maaaammmaaa, li turistiiiiiiii!

Jeder kleine Badeort, der an 10 Monaten im Jahr glücklich lächelnd vor sich hindämmert, mit einer Handvoll ständigen Einwohnern, einigen Einheimischen mehr ab Juni, verwandelt sich in eine Verkehrsfalle mit Hunderten und Aberhunderten von Autos und Urlaubern aus allen Teilen Italiens, die in möglichst kurzer Zeit so erholt wie möglich sein wollen. Die Mietpreise schnellen ab spätestens Mitte Juli in astronomische Höhen. Und dabei rechtfertigen weder die Behausungen selbst noch ihre Einrichtung gewisse Preise. Es ist das ganze Drumherum, dass man bezahlen muss. Das glasklare Meer, die vielen abendlichen Konzerte, Feste und Sagre, das garantiert schöne Wetter – kurz: Die Hochsaison. Und die Norditaliener zahlen, ohne mit der Wimper zu zucken. Das ist ihnen der Urlaub im Salento wert. Auch, wenn die Ferienwohnung im Halbsouterrain liegt und eher einer Garage ähnelt. Sie kann auch weiter weg vom Meer sein, die Italiener nehmen das nicht so genau. Schließlich gehen sie abends aus, was braucht man da Meeresblick – das ist so eine fixe Idee der Deutschen. Meeresblick muss sein, sonst ist das kein Urlaub. Die Italiener sind da pragmatischer. Den Meeresblick haben sie den ganzen Tag am Strand. Allerdings muss ich dazu sagen, dass die Tourismusindustrie seit 2005 einen Rückgang hatte, den natürlich keiner zugeben will. Aber man konnte sie sehen, die verrammelten Ferienwohnungen, die so teuer waren, dass sie irgendwann doch keiner mehr wollte……Die Hausbesitzer in den kleinen Badeorten konnten sich außerdem die Angewohnheit, für einen ganzen Monat vermieten zu wollen, lange nicht abgewöhnen. Aber in den letzten 10 Jahren sind die Sommerurlaube der meisten Italiener von 2 Wochen auf, wenn’s hoch kommt, 1 Woche geschrumpft. Kein Italiener mit Familie und normalen Schulden kann sich mehr leisten in der Hauptsaison. Man fragt sich, warum die Italiener dann nicht Anfang Juli oder Anfang September oder sogar Ende Juni Ferien machen…..Wissen Sie, es geht nicht. Es ist im DNA des Italieners, dass auch er aus der Stadt sein muss, wenn alle am Strand sind. Jeden Winter spricht man wieder von „vacanze intelligenti“ – und jeden Sommer ist es wieder dasselbe. Am 14. August verlassen alle schlagartig „last minute“ ihre Städte, auch wenn sie es dieses Jahr nicht vorhatten und – koste es, was es wolle - machen eine Woche Urlaub, da, wo alle anderen Italiener auch schon Urlaub machen. Der Salento hat das Jahr über ca. 810.000 Einwohner. Im zentralen Hochsaisonmonat, ca. vom 24. Juli bis 20. August, und ich übertreibe nicht, steigt diese Zahl um über 150.000. In diesen Wochen schläft der Salento nicht, er sonnt sich tagsüber, geht abends essen und shoppen und tanzt durch die heißen Sommernächte. Der Salento ist für die Italiener das, was Rimini jahrzehntelang für die Deutschen war.

Südländische Mentalität

Wenn man sich mal überlegt, wie die Süditaliener sind, wundert man sich, dass einerseits alles möglich ist im Süden, denn es genügt, wenn man um irgendetwas bittet. Andererseits scheint die bürokratische Obstruktion noch so verwurzelt zu sein, dass sich der Außenstehende fragt, wie das denn sein kann…Wenn man auf sein Recht pocht, wie man das in Deutschland machen kann, geht hier in Süditalien noch immer gar nichts. Wenn man aber „per favore“ um etwas bittet, öffnen sich einem sämtliche Türen und Tore….oh Wunder. Wunder? Nein. Damit hat das nichts zu tun. Es ist die gänzlich andere Mentalität, durch die die Räder am Laufen gehalten werden. „do ut des“ also das „ich gebe, damit du gibst“ existiert hier nicht. Vielmehr ist es das Geschenk und der Missbrauch: Alles wird „per favore“ gewährt oder abgelehnt. „Per favore“ ist im Süden nicht umsonst ein wichtiges und sehr häufiges Füllwort.

Caffe pagato
Waren Sie schon mal länger in einer italienischen Bar im Süden? Haben Sie dem Treiben zugesehen, die klappernden Kaffeetassen gehört und das summende Geräusch der Kaffeemaschine? Müssen Sie unbedingt mal machen. Das hat was! Außerdem gibt es ab und zu einen verbalen Einwurf, der Sie vielleicht aufhorchen lässt: CAFFE PAGATO!

Erst vor ein paar Wochen saß ich abends mit meiner Freundin Stefania gemütlich nach dem Abendessen beisammen und forderte sie auf, mir von ihrem Leben in Biella (bei Turin) zu erzählen. Sie ist eine aus dem Heer der Akademiker, die in den Norden müssen, um ihr Arbeitsleben, ihre Karriere dort zu beginnen. Als eingefleischte Salentinerin, als aufmerksame Beobachterin ist sie für mich wertvoll im Nord-Süd-Vergleich. Sie bemerkt so viele Kleinigkeiten, die das Leben dort vom Leben hier unterscheiden. Dazu, so Stefania, gehört „il caffe pagato“. Jeder, dem es gut geht im Leben, oder zumindest nicht schlecht, jammert trotzdem wo es geht. Aber in der Bar ist das anders. Da zahlt jeder, der es kann, ab und zu einen Kaffee für jemand anderen, einfach so. Der andere wird auch nicht immer eingeladen. Er muss nicht unbedingt präsent sein. Gut, der italienische Espresso an der Theke kostet zwischen 90cent und 1,20 € wenn’s hoch kommt. Da kann man sich schon mal 2 leisten. Man bezahlt und sagt: „un caffe pagato“ und der Barmann ruft in die Bar: „Caffe pagato!“
Wenn dann einer kommt, von dem man weiß, dass es ihm nicht gut geht, dass er viele Mäuler zu stopfen hat oder eine schwere Zeit durchmacht, dann stellt der Barmann ihm einen Kaffe hin und sagt dazu: „Questo è pagato“- der ist schon bezahlt. Hat nichts mit Beschämen-wollen zu tun – ist einfach eine nette soziale Geste. Und als solche wird sie auch gesehen. Hier in den kleinen Dörfern, wo noch jeder jeden kennt, gibt’s das noch.

Ansonsten ist es meistens der „caffe pagato“, den man dem Anwalt, dem Bürgermeister, dem Besitzer des Supermarkts an der Ecke, usw. bezahlt. Der ist dann anwesend, man springt unauffällig zum Bezahlen, nickt in Richtung der Person, der man den Kaffee spendieren will und zahlt mit. Dann sagt der Barmann ganz laut: „Avvocato, il suo caffe è pagato“ – Herr Rechtsanwalt, ihr Kaffee wurde bezahlt. Der Avvocato nickt einem zu und bedankt sich und siehe wieder vorhergehender Abschnitt bezüglich des „Per favore“ – man hat wieder was gut. Die südländische Mentalität folgt ihren eigenen Regeln. Zugegeben, immer gerecht sind sie nicht. Einer nördlichen Seele sind sie manchmal sehr unverständlich, aber so ist es nun mal, im Salento.

Santa Cristina in Gallipoli
Am 24. Juli ist übrigens Santa Cristina in Gallipoli. Eigentlich ist sie ja gar nicht eine der offiziellen drei Stadtheiligen. Nichtsdestotrotz wird sie mit einer Gigantomanie gefeiert, die ihresgleichen sucht. Die drei Tage der Santa Cristina in Gallipoli sind sicherlich ein wunderschönes Stadtfest und man muss es gesehen haben. Auch wenn Freunde aus Deutschland, die sich das dieses Jahr angetan haben (ich mach das ja schon lange nicht mehr…), berichteten, dass die Marktstände fast ausschließlich aus Polen und Chinesen bestehen….Tja – was wollen Sie? Die Globalisierung ist hier auch angekommen. Interessant an Santa Cristina ist, dass die Gallipoliner nicht schwimmen gehen. Eine Legende erzählt, dass sich die Santa Cristina jedes Jahr ein Opfer sucht und mitzieht in die Tiefe des ionischen Meeres. (bisschen fies, die Heilige, finden Sie nicht  ) Wahrscheinlich auch wieder so eine Marktstrategie, damit die Leute trotz afrikanischer Temperaturen den Markt besuchen, statt im kühlen Nass Erfrischung zu finden. Am 24. Juli gibt es eine wirklich sehenswerte Bootsprozession, bei der die Heilige von den vielen Fischern Gallipolis rund um die Insel der Altstadt gefahren wird. Konzerte auf den vielen Piazze Gallipolis charakterisieren das Fest. Ein große Feuerwerk mitten in der Nacht vom 24. auf den 25. Juli beendet das jährliche dreitägige Treiben.

Zikaden und Grillen
Ok. Ich könnte jetzt den Unterschied aus Wikipedia rauskopieren, aber das wollte ich ja gar nicht erzählen, das können Sie ja selbst nachlesen. Ich wollte vielmehr vermitteln, wie Sommer im Salento klingt….

Mitte – Ende Juni beginnen Sie. Ganz allmählich einzelne, dann immer mehr. Je höher morgens die Sonne steigt, desto mehr stimmen in den ohrenbetäubenden Lärm in einem Olivenhain ein. Die Singzikaden. Schon um 8 Uhr morgens können Sie staunend stehen und es hören: Das Zikadenkonzert. Und sie singen unaufhörlich bis sie sterben. Glücklicherweise für unser Trommelfell leben Zikaden nicht länger als 4-5 Wochen. Solange ist aber jeden Morgen was geboten. Sobald es hell wird, schweigen die Grillen, die die ganze Nacht über durchgezirpt haben, und kaum Minuten danach beginnen die Zikaden. Die beiden wechseln sich ab bis kurz nach Mitte August. Dann verstummen sie beide wieder für ein Jahr. Und wir alle wissen: Auch unser Sommer neigt sich wieder dem Ende….

Lesen Sie bald: Ausgebucht. August im Salento. Wehmütiger Ferragosto.