Montag, 16. Februar 2009

Frühling im Salento


März

Woran denken Sie, wenn Sie “MÄRZ“ hören? Also ich habe immer das schwäbische Volkslied: „im Märzen der Bauer die Rösser einspannt. Er setzt seine Felder und Wiesen instand….“ im Kopf. Ja, ich weiß, dass ich damit ein paar befremdete Blicke auf mich ziehe, aber ich kann nichts machen. Das Lied ist für mich der Inbegriff dessen, was „den Winter verabschieden und den Frühling begrüßen“ heißt.

Die salentinischen Bauern würden darüber lächeln. Ihre Arbeit auf den Feldern ruht eigentlich nie, außer vielleicht im Hochsommer. Schon im Januar werden Kartoffeln gesetzt. Im Oktober-November-Dezember werden Oliven geerntet und im Januar werden die Bäume gestutzt. Im hiesigen Dialekt sagt man dazu „mungere gli alberi“, also „die Bäume melken“. Wahrscheinlich rührt das daher, dass für die zweite Hälfte des laaaaangen salentinischen Winters noch mal so ordentlich Holz gemacht wird. Die typische Vorher-Nachher-Kur für die Bäume. Im November sind die Olivenbäume fast schwarz vor Oliven. Die Äste hängen schwer und tief von der Last ihrer reifen schwarzen Früchte. Dann, je nach Wind und Wetter, fallen sie auf den Boden und die Äste richten sich, von ihrer Last befreit, wieder auf. Man kann richtig sehen, wie sie die Äste wieder himmelwärts strecken. Man meint, sie schütteln sich und sagen: „Das wäre wieder einmal geschafft“ und strecken ihre Rücken wieder senkrecht. Dann ist für sie erst einmal Vegetationspause. Und dann kommt, im „tiefen“ salentinischen Winter, der „Munnatore“, der Melker. Er setzt die Säge an und befreit die alten knorrigen Gesellen von ihren Wildwüchsen und anderen Ästen. Ich habe noch nicht so genau verstanden, mit welchem Kriterium geschnitten und gesägt wird, aber grob gesagt, was aus der Reihe tanzt, muss runter. Heute nimmt man dazu natürlich eine Kreissäge, wenn sich’s lohnt, aber die meisten Äste sind nicht so dick, als dass man sie nicht auch von Hand heruntersägen könnte. Wenn ich so darüber nachdenke….wir haben uns bisher noch nicht zugetraut, selbst Hand an zu legen. Das heißt, halt, doch, einmal: Ganz am Anfang, vor – na, dass ist jetzt auch schon 10 Jahre her: Da bin ich in meinem jugendlichen Leichtsinn auf den Baum geklettert und hab’ angefangen zu sägen. Bis ich hinter mir einen Bauer brüllen hörte:
„Aufhören! Das kann ja kein Christ (echt, er sagte „CHRIST“) mit ansehen, was du da aus dem Baum machst…“ Seitdem hab’ ich mich nur noch mit der Gartenschere an meine unwichtigen Zierpflanzen gewagt. Da hat auch nie einer gebrüllt….Zierpflanzen ist hier was für Weiber und Weicheier. Naja, wenn Sie bedenken, dass die Nutzbepflanzung aller Art die Bevölkerung hierzulande sozusagen am Leben erhielt, ist das auch nicht so schwer zu verstehen. Selbstredend findet man jetzt in allen Gärten, Vorgärten, Villen und Stadthäusern auch wunderschön angelegte Gärten und Zierpflanzensammelsurien. Aber dem Bauern braucht keiner mit ‚ner Blume zu kommen, die man nicht essen kann. Das ist Schnickschnack und dafür würde er sein kostbares Wasser nie verschwenden. Worauf ich hinaus wollte: Die Kunst, Olivenbäume zu beschneiden, lernt man wohl von Generation zu Generation. Die Bauern machen darum einen Riesenwirbel, so als bräuchte man weiss-gott-wieviel Erfahrung….Dabei liegt meines Erachtens das Geheimnis darin, die Äste so zu trimmen, dass man es im nächsten Herbst bei der nächsten Ernte leichter mit dem Ernten hat. Die Olivenernte ist in allen Regionen Italiens unterschiedlich. >Aber da greife ich wieder vor….davon im Herbst mehr.

Ich schweife wieder einmal vollkommen vom Thema ab: Wir waren beim Frühling. Bitte verfallen Sie nicht dem Irrtum, den salentinischen Frühling mit der Mandelblüte in Verbindung zu bringen. Was die Reiseveranstalter da immer von sich geben, ist eigentlich unkorrekt. Die Mandelblüten sind Vorboten des Frühlings mitten im salentinischen Winter. Sie gehören zum Februar. Wenn sie ausblühen, dann strecken die Mimosen im floralen Staffellauf ihr Kanariengelb in die Sonne. Die grauen und kühlen Märztage verblassen hinter dem grellen Zitronengelb ihrer Blüten, die in winzigen knallgelben Bällchen dichtgedrängt, so dass es wie eine einzige gelbe Blüte wirkt, am Baum hängen. Dann gibt es keinen Zweifel mehr, der Winter ist wieder einmal besiegt. Dann kann man im Salento beginnen, ins Ferienhaus am Meer zu fahren, um mal ordentlich durchzulüften, später im Monat werden dann ganze Putzheere am Meer gesichtet, die Matratzen werden vor die Tür in die Sonne gestellt, es wird Licht, Sonne und Wärme hineingelassen, in die ach zu lange Zeit verschlossen gehaltenen Ferienhäuser. Diese Reinigungsaktionen, der typische Frühjahrsputz, konzentriert sich natürlich auf die Tage vor Ostern oder der Karwoche. Denn an Ostermontag spätestens wird das Haus wieder mit Leben erfüllt sein, aber das ist eine andere Geschichte und gehört in den April.


Apropos April: Wie sagt man im Deutschen? April, April, der macht was er will. Die Italiener haben dasselbe Sprichwort für den März. Und nirgends trifft es so zu wie im Salento: „Marzo pazzarello, guarda il sole e prendi l’ombrello“. “Verrückter März, du siehst die Sonne und nimmst den Regenschirm.”


Die Großwetterlage sieht für den Frühlingsanfang häufig Stürme vor. Und dann sollte man eigentlich nicht arbeiten müssen……Es ist herrlich, am Strand entlang zu wandern und sich den kräftigen Wind um die Nase wehen zu lassen…Oder danach…wenn sich der Sturm gelegt hat, Strandgut sammeln gehen. Was man nicht alles findet am Strand……wir sind immer auf der Suche nach ungewöhnlichen Baumstämmen oder Ästen. Aber auch was sonst so angespült wird, ist manchmal interessant. Früher, bis in die 90iger Jahre, hat man regelmäßig ganze Kartons voller durchweichter Zigaretten gefunden. Schmuggelgut, das über Bord gegangen ist, wenn die Polizia di Finanza hinter den Schmuggelbooten her war. Das hat sich aber gegeben. Dafür finden wir jetzt Kleidung, die vielleicht von Flüchtlingen „clandestini“ stammt. Weniger aufregend, eher tragisch.


Anfang März begehen wir Frauen überall auf der Welt den 08. März, den internationalen Frauentag. Aber in Italien ist alles ein bisschen anders. Schon der Tag heißt in Italien anders: Festa della Donna. Das Frauenfest. Und an einem Tag, an dem überall auf der Welt für mehr Rechte der Frauen protestiert, demonstriert, konferiert wird, wird in Italien gefeiert. Was, das bleibt dahin gestellt. Wahrscheinlich, dass es uns gibt. Schon morgens gibt es am Arbeitsplatz und sogar in der Schule kleine Mimosensträußchen. Unzählige Bäume müssen dafür ihre blühenden Äste lassen. Die Herrenwelt beschenkt die Damenwelt, unabhängig welches Alter und Stellung. Abends laufen die Damen dann in Hochform auf. Sie solidarisieren sich (wehe, wenn sie losgelassen…) und schwärmen in Lokale, Restaurants und Diskotheken. Dort werden ihnen mehr oder weniger erotische Spektakel geboten: Männerstrip, Oben-Ohne-Bedienung (männlich) usw. Einmal im Jahr so richtig die Sau rauslassen, dazu wird der Frauentag – pardon, das Frauenfest in Italien benutzt. Ich geb’s zu, ich stehe dem Ganzen sehr kritisch, um nicht zu sagen feindlich gegenüber, schließlich stamme ich aus der Generation, die noch Mahnwachen für mehr Gleichberechtigung hielt. Aber das ist den Damen hier wurscht! Einen drauf machen, und zwar ordentlich! In den Lokalen herrscht bis Mitternacht Herrenverbot, bis auf die Protagonisten natürlich und frau ist unter sich. Dass sich einige Damen der Schöpfung der Politik fernab ihrer Realität daran erinnern, dass sie eigentlich für mehr Rechte der Frauen einstehen müssten, einige Reden halten und sich grüppchenweise versammeln, um das kundzutun….ist den Damen hier egal. Für sie hat sich in den letzten 30 Jahren so viel geändert, dass kann man sich überhaupt nicht vorstellen. Die Situation der Mädchen und Frauen hat sich absolut angeglichen an die, Mitteleuropas. Ich denke, dass dies der Verdienst der vorangegangen Generationen von Frauen war, die das übertriebene Patriarchiat satt hatten. Denn....

Noch Anfang der 70ger Jahre war der Salento von den mitteleuropäischen Gepflogenheiten noch sehr weit entfernt. Die Mädchen wurden viel mehr kontrolliert, allein auszugehen, sich mit Freunden, der Clique oder gar dem Freund zu treffen, galt schon fast als Kaiserrebellion gegenüber den Eltern. Der Vater hielt mit eiserner Faust die schützende Hand über seine Töchter. Er war schließlich ein Mann und wusste genau, zu welchen Schandtaten die Herren der Schöpfung fähig waren. Wichtig war, die Tochter ehrenvoll unter die Haube zu bringen. Sie hätten mal versuchen sollen, ein offiziell verlobtes Pärchen in den 80iger Jahren alleine einzuladen. Nichts zu machen. Wäre fast ein Ding der Unmöglichkeit gewesen. Immer wäre ein kleiner Bruder, eine kleine Schwester, oder wenn nicht vorhanden, eine Tante dabei gewesen. Der so genannte Anstandswauwau. Sie lachen? Nein, glauben Sie mir, das war hier auf dem Land wirklich üblich! Es ging schließlich um den guten Ruf der Tochter. Glücklicherweise waren vor allem die jüngeren Geschwister leicht bestechlich und wurden auf eine oder mehrere Eistüten weggeschickt. Die hiesigen „Fidanzati“, die Verlobten, waren sehr einfallsreich, um doch ein bisschen alleine sein zu können. Das war eine Art Volkssport: „Tricks den Papa aus“.

Die 70iger-Jahre-Töchter wurden also geheiratet, oft war es der erste ernstzunehmende Freund, der mehr oder weniger gezwungenermaßen zum Ehemann wurde. Wenn herauskam, dass sich zwischen zwei jungen Leuten etwas anbahnte, stellte man Nachforschungen an, wer er oder sie war, ob sie ehetauglich waren (damit war die Aussteuer der Frau und möglichst eine Immobilie des Mannes gemeint). Dann wurde offiziell verlobt, d.h., man durfte zur Freundin nach Hause, man war offiziell registriert. Das führte meist zur Ehe, oft wussten die jungen Leute gar nicht so genau, wie ihnen geschah. Oder sie waren einverstanden, denn das war die einzige Möglichkeit, alleine zu sein, in Ruhe und ganz legal Sex zu haben und dem strengen Elternhaus endlich zu entfliehen. Leider stellte sich heraus, dass das die erste Wahl nicht immer „die erste Wahl“ war. Die Ehen waren zwar mit Kindersegen beschenkt, nicht immer aber mit lange währendem Eheglück. Wenn man nun bedenkt, dass Scheidung in ihrer heutigen Form erst seit 1975 möglich ist, kann man verstehen, dass die Scheidungsrate im Salento in den 70ger und 80ger Jahren nicht gerade hoch war. Das wäre zuviel Schande für die ganze Familie gewesen, die Kinder wären diskriminiert worden usw. Also hielt man nach außen den Schein aufrecht, aber in nicht wenigen salentinischen Ehen lebte man de facto getrennt von Tisch und Bett. Erst seit den 90iger Jahren sind vermehrt Geschiedene zu verzeichnen. Das Outing hat begonnen, steil ansteigende Bildung und abfallender Einfluss der katholischen Kirche unter den jungen Generationen führt dazu, dass die Scheidung hier kein Fremdwort mehr ist. Dennoch zeigt die Statistik, dass es im Süden Ehepartner über 45 sind, die die Scheidung wollen. Sie warten, bis die Kinder aus dem Haus, oder zumindest groß sind. Weiter geht aus den Statistiken hervor, dass es immer noch die Ehemänner sind, die hier im Süden die Scheidung anstreben. Das hat nichts damit zu tun, dass die Frauen eine glücklichere Ehe führen, sondern dass sie konkrete Existenzängste haben, denn immer noch ist es üblich, dass die Frau sich um Haus und Kinder sorgt, also ist sie „raus aus dem Beruf“, so sie je einen hatte, und zwar für lange Zeit. Ein weiterer Punkt ist, dass sich hier vermehrt gut gebildete Ehepartner trennen. Die wenig gebildeten stehen oft mehr unter kirchlichem, elterlichem, sozialen Einfluss und optieren für die herkömmliche Lösung: Jeder macht sein Ding, aber man bleibt offiziell zusammen. Das hat sicherlich auch mit den beschränkten finanziellen Möglichkeiten zu tun.

Eine weitere seltsame Art, ein Paar zu bilden, war, mit einander wegzulaufen und eine Nacht außerhalb des Elternhauses zu verbringen. Danach kehrte man zurück, ließ sich ein bisschen verprügeln und wurde, um die Ehre wieder herzustellen, umgehend und ohne lange Vorbereitungen vermählt. „…se ne so’ fusciuti“. War das Schlagwort. „Sie sind abgehauen“. Wie viele, vor allem sehr arme Ehen, wurden auf diese Weise im Laufe der letzten Jahrhunderte geschlossen….damit umging das junge Paar die Nachforschungen, bei denen sich herausgestellt hätte, dass er nichts hat und sie noch weniger. Da wäre die Verbindung verhindert worden. So aber, war’s egal. Der Ehre musste Genüge getan werden. Man weiß heute, dass viele Ehepaare diesen Weg wählten, um auch ihren Eltern Geldnot zu ersparen. Denn eine richtige Hochzeit auszurichten wäre für sie gar nicht möglich gewesen. Eine „Reparationshochzeit“ bestand aus der Trauung und wenn’s hoch kam einer Flasche Sekt! Selbst das weiße Brautkleid war glücklicherweise nicht mehr angebracht, man heiratete einfach im Sonntagsstaat.

Heute ist das alles anders. Die Ehen werden immer später geschlossen und wenn geheiratet wird, dann aber richtig. Davon aber mehr im Mai.


Der März ist für ein bestimmtes Fest charakteristisch. Die Italiener feiern am 19. März SAN GIUSEPPE, den Heiligen Josef. Damit stellt sich heraus, dass der Vatertag in Italien nicht am selben Tag wie in Deutschland gefeiert wird. Er wird, dem liturgischen Kalender folgend, eben am 19. März begangen.

In vielen Piazze der Dörfer und Städte im Salento werden an diesem Tag die „Tavole di San Giuseppe“, „die Tische des Heiligen Josefs“ hergerichtet. Die Tradition will, dass diese Tische von allen Bewohnern des Ortes reich beladen mit allen möglichen kulinarischen Köstlichkeiten aufwarten. Und früher wurden so die Armen einmal während der Fastenzeit zum opulenten Mahl gebeten. Die Armen wurden gespeist, so wie der Heilige Josef es sich auf der Wanderschaft für sich und seine entstehende Familie gewünscht hätte. Die Tische muten in ihrer Zahl ein bisschen kabbalistisch an, denn zu Tisch wurden immer nur 10 Personen gebeten, und 3 Plätze wurden mitgedeckt, aber freigelassen, denn die waren für die heilige Familie reserviert. Vor langer Zeit war es sogar üblich, dass 13 verschiedene Gerichte pro Tischgefährte serviert wurden, für jeden der 12 Apostel und Jesus eines.

Alles, was an diesem Tag auf den Tisch kommt, nennt sich „des heiligen Josefs“. Nicht, weil er ein exzellenter Koch war, dass ist uns nicht überliefert, sondern weil es speziell an diesem 19. März die Gaumen erfreute. So da sind: „la massa di San Giuseppe“ (Kutteln, Kichererbsen und Kohl), das San Giuseppe-Brot, verschiedene gekochte Blattgemüse, Süßes mit Honig und Semmelbröseln, Saubohnenpüree, Fisch mit Soße (frittierter Fisch mit Semmelbrösel und Essig), Lampascioni (eine hier heimische kleine, sehr bittere aber köstliche Zwiebelart), die omnipresenten, immer feinen Pittule und, dulcis in fundo: Zeppole! Kommen Sie ja nicht in den Salento und probieren Sie nicht die Zeppole. Jetzt muss ich dazusagen, dass ich ein besonders hartnäckiges Leckermaul bin, aber man darf den März nicht ohne wenigstens eines dieser süßen Stückchen herumbringen. Es handelt sich um eine Teigart wie den Berliner, aber mit einem großen Loch in der Mitte. Dieses ist voller Crema pasticciera (sagen Sie ja nicht "Pudding" dazu!!!!), besonders fiese Pasticcieri umgarnen das Ganze sogar mit einem kleine Kranz Sahne….die Teigstückchen sind frittiert, bevor die Crema hineingefüllt wird und mit Zucker und Puderzucker bestäubt. Ich hab’s noch nicht geschafft, so eine Zeppola zu essen, ohne dass man es mir danach ansieht, aber ich übe fleißig weiter!

Italiens WEISSE NäCHTE!

Ja, jetzt ist der Winter noch nicht sooooo lange vorbei, dass man bei „weiss“ nicht an Schnee denken könnte. Da sind Sie aber ganz auf dem Holzweg. Die weißen Nächte häufen sich, je wärmer es wird. Der Begriff stammt von einem geflügelten Wort „fare la notte in bianco“- „eine Nacht in Weiß verbringen“, d.h. nicht schlafen können.

Mit anderen Worten, viele kleinere und größere Gemeinden, nicht nur im Salento, sondern in ganz Italien haben sich auf die Fahnen geschrieben, Einheimische und Touristen glücklich zu machen, in dem sie ihnen eine „weiße Nacht“ bescheren. Sleepless in Lecce…Lecce schickt sich an, dieses Jahr schon die 2. weiße Nacht am 14. März zu begehen und sicherlich wird es auch im Sommer eine geben.

Die Veranstaltung „Notte bianca“ steht für ein gigantisches Straßenfest, dass obligatorisch bis in die Morgenstunden dauert und mit einem Cappuccino und Cornetto nach Morgengrauen endet.

Schon im Dezember gab es eine weisse Nacht in Lecce, sogar mit dem Special Event der kanadischen Truppe des Cirque du Soleil mitten auf der Piazza Sant’Oronzo Am langen Wochenende des 08. Dezembers, il ponte dell’Maria Immacolata, der Unbefleckten-Empfängnis-Brücke (Brücke im Sinne von langem Wochenende), kam in Apulien eine nie dagewesene Initiative zur Welt: die NIGHT PARADE. Der Titel ist sicher eine Wort-Entlehnug von Love Parade. 100 Spettacoli (also 100 Veranstaltungen. an einem langen Wochenende).

Unter den Augen des Stadtheiligen Lecces, San Oronzo, ergab seine nach ihm benannte Piazza eine fantastische Kulisse für ein nie-hiergewesenes Spektakel des Cirque du Soleil. Leider war die Piazza so dermaßen voll, dass man zum Atmen nach „Draußen“ gehen mussten. Die Tagesschauen am Tag danach sprachen von über 70 000 Menschen in Lecce, die der Show zusehen wollten. Und mehr noch: An insgesamt 5 Tagen befanden sich die Provinzhauptstädte Foggia, Bari, Taranto, Brindisi und Lecce im nächtlichen Ausnahmezustand. Man muss sagen, dass die Initiative ein voller Erfolg war, wenn auch vorwiegend für die heimischen Nachtschwärmer….

Das ganze hat auch eine Stange Geld gekostet, die „Notte Bianca“, also Musik, Theater, Tanz die ganze Nacht hindurch, hat die besondere Eigenschaft, dass sie von den jeweiligen Gemeinden bezahlt wird. Ebenso die teuren „Show-Perlen“. Alles gratis für die Zuschauer! Unglaublich? Nein, ein Versuch, den Tourismus aus den kanalisierten 2-3 (maximal) Sommermonaten über’s Jahr zu verteilen. Die Region Apulien will sich als mehr als nur als Bade-Region etablieren. „2 Monate Saison sind für dieses herrliche Land zu wenig.“ Gesagt, getan. Ein unglaubliches Aufgebot an Stars, nationalen Sängern und Gruppen „erhellte“ die langen salentinischen Nächte.

Kritiker meinten, dass angesichts der riesigen Schwierigkeiten, mit der Apulien und der Rest der Welt im neuen Jahr zu kämpfen haben werden, so eine Verschwendung fast schon unmoralisch sei. Dem kann man aber so nicht beipflichten, war dieses Event doch von sehr langer Hand geplant und die Künstler schon Monate im Voraus verpflichtet. Ob es letztendlich den gewünschten Effekt gebracht hat, bleibt, wie so vieles in Italien, im Dunkeln. Zumindest die Lecceser Geschäftsleute waren laut Lokalzeitung zufrieden. Ihre Geschäfte waren teilweise die ganze Nacht hindurch geöffnet, und es gab „Offerte Speciali zur Immacolata“.

Nun gibt’s eine Frühlings-Zugabe: Programme sind noch nicht verfügbar, sicher ist aber, dass eine milde Nacht auf alle Fälle an das Dezember-Ergebnis, was die Besucherzahlen betrifft, heranreichen könnten.

Canti di passione

Es gibt im Salento eine weitere Tradition, die sehr gepflegt wird und die, trotzdem die Religion an sich und auch hier immer weiter in die Mäander der Zeit zurückfällt, weiter lebt. Die Passionsgesänge, Leidensgesänge, besingen auf poetische, sowie folkloristische Weise das Leben, Leiden und Sterben Christi. Wie in Mitteleuropa der Advent als vorweihnachtliche Zeit besonders wichtig ist, so ist es hier die österliche Zeit. Ostern ist als Kirchenfest viel wichtiger als in Mitteleuropa und wird mit unzähligen Prozessionen und Riten begangen. Dazu gehören eben auch die Passionsgesänge, die es in ganz Mittel- und Süditalien gibt und die hier bereits 4 Wochen vor Ostern beginnen, ihre traurig-schönen Lieder in den Kirchen zu singen. Leiden kann man hier gut. Es ist der Ausdruck von Liebe, von besonderen Gefühlen, die ausgedrückt und zelebriert werden. Dazu eben gehören auch die Canti di passione. Gleichzeitig aber drücken sie auch starke Hoffnung aus, die Zukunft wird das Licht bringen, Christus wird auferstehen. Der menschliche Schmerz des Christus wird zu göttlichem Licht. Was gibt’s Schöneres zu Beginn des Frühlings?