Donnerstag, 23. Juli 2009

Mai im Salento, Sprung nach Draussen

Wie wär’s mit einem kühlen Bad?
Mai im Salento


Wenn der April sich dem Ende neigt, können wir ruhig behaupten, dass der Salento endgültig aus dem Winterschlaf erwacht ist. Plötzlich feiern wir täglich Heilige, Stadtpatrone und Frühlingsfeste. Der Marienmonat wird natürlich auch hier nachhaltig gepflegt, an allen Ecken sieht man Rosenkränze und es gibt in jeder noch so kleinen Kapelle Marienandachten.

Der Mai ist meines Erachtens mit der schönste Monat im Jahr. Es ist definitiv warm, an manchen Tagen sogar mehr als warm, die ersten, glücklicherweise kurzen Hitzeperioden legen sich auf das Land. Und wenn man im April nur vereinzelt und hinter Felsen und sehr geschützt vor den kalten Winden hie und da mal einen Bikini am Strand liegen sah, jetzt wird es schon ein Massenphänomen – na ja, ich will’s nicht übertreiben – sagen wir, ein häufiger gesehenes Phänomen. Als der Salento noch von Fischfang und Landwirtschaft lebte, musste man lange suchen, wenn man um diese Jahreszeit einen Müßiggänger finden wollte, der seine knapp bemessene Freizeit am Meer verbrachte. Heute ist das alles anders. Die lokalen Latin-Lovers bereiten ihren fitness-gestählten Körper auf die anstrengenden Sommernächte vor, man sieht sie in den wärmsten Mittagsstunden am Strand liegen. Aber nicht nur sie: Bürohengste und –Stuten (frau verzeihe mir das wenig ehrerbietige Wortspiel) entledigen sich der lästigen Konventionskleidung und sonnen sich diskret hinter einer Sanddüne, auch schon mal in Unterwäsche. Immer öfter eine nette Art, die Mittagspause zu verbringen. Ein weiteres, neueres Phänomen sind die Stadtrentner, die jetzt den noch sehr wenig gepflegten Strand (ich geb’s zu, ein Euphemismus….) erobern und gegen Mitte des Monats schon aussehen, als hätten sie die letzten Jahre permanent unter der Höhensonne geschlafen. Ich sage betont: Stadtrentner, denn selbiges darf man von den Dorfrentnern nicht verlangen. Die haben immer zu tun, die sind ständig am Arbeiten in der Campagna, also auf dem Feld, denn da ist jetzt Hochbetrieb. Aber bleiben wir noch einen Moment am Strand: Jetzt ist der Moment, wo auch der nicht Hiesige wirklich rundum alles im Salento genießen kann. Meer, Sonne UND Kultur, Kunst, Folklore. Wenn man dieser Tage längere Zeit am Strand verbringt, sieht man einen schönen Querschnitt aller derjenigen, die den Salento ausmachen. Schüler und Schülerinnen, die den letzten Schulmonat zu anstrengend finden und ab und zu bei besonders schönem Wetter mal schwänzen (nicht umsonst lautet das italienische Wort für „schwänzen“ – „marinare“ – merken Sie was?) und stattdessen lieber an den Strand gehen (wer kann’s ihnen verdenken?), junge Mütter mit ihren Sprösslingen, die die Leere der vorsommerlichen Strände nutzen, um die Bambini ungestört spielen zu lassen, Hundebesitzer, die sich dessen bewusst sind, dass sie den Freilauf im Hochsommer nicht zulassen können und deren Hunde ebendiesen besonders schätzen, die älteren Signore, die fast wie Bademeisterinnen auf ihren Stühlen thronen und über den Strand blicken und Rezepte und den neuesten Klatsch austauschen, ältere Herren, die kürzlich Gefallen gefunden haben am Rentnerdasein und, last not least, Sportbegeisterte aller Altersgruppen. Die treiben jetzt verschärftes Lauftraining am Strand, wo laufen doppelt anstrengend ist. Ein fröhliches Sammelsurium an Salentinern, die die Wärme und die Vorfreude auf den Sommer genießen.

Auch wer ein Marktgänger ist, wird merken, dass sich das Angebot der steigenden Nachfrage nach Strandbadetüchern, Bikinis, Badelatschen, Sonnenschirmen, Balkonausstattung, Liegestühlen, hauchdünnen Strandkleidern usw. anpasst.

Jetzt wird’s schnell Sommer. Abgesehen von einigen kurzen meteorologischen Rückschritten geht es im Marschschritt auf die heiße Jahreszeit zu. Die Natur hat Mühe, hinterher zu kommen. Was im April noch zaghaft spross und blühte, explodiert nun mit Lichtgeschwindigkeit. Denn wo sich die Natur im Norden beeilen muss, weil der Sommer kurz ist, muss sie im Süden genauso hinne machen, weil die gnadenlose, sengende Hitze nah sein kann. Und dann sollte man möglichst schon geblüht haben, zumindest zum ersten Mal. Denn wenn man bedenkt, dass Blumen und Pflanzen auch hier gerne ein geschütztes Eckchen zum Aufgehen haben möchten, dass aber gerade dieses geschützte Eckchen Monate später zum Backofen wird, weiß man um das Dilemma der Hobbygärtner, welches Plätzchen für das geliebte Pflänzchen das richtige sein mag.

Noch im April wurde das Gemüse durch Gewächshäuser geschützt, nun werden schon Schattenspender angebracht, damit die Pflanzen nicht elendig dahinwelken.

Während man sich also am Strand langsam und körperteilweise ins noch sehr kühle Nass wagt (das kommt natürlich auf den jeweiligen Abhärtungsgrad an…meine Mutter behauptet immer, da sei ich ein italianisiertes Weichei und das Wasser wäre doch just nun genau richtig…), ist auf den Feldern bereits Hochsaison. Jetzt kann man beim Gemüsehändler plötzlich wirklich alles bekommen, was das Herz begehrt: Zucchine (sehen Sie bitte zur Aussprachhilfe bitte ins November-Kapitel), Auberginen, Paprika, Gurken (sind hier kurz und dick, wieder so ein anarchisches Verhalten, den EU-Normen zum Trotz eben), schon die ersten Honigmelonen, Kirschen gemeinsam mit den langsam ausklingenden Erdbeeren, Spargel, usw. Vor allem aber ist jetzt Kartoffelernte. Ja, sie haben richtig gelesen: Die besten Kartoffeln kommen aus dem Salento, vorwiegend aus den westlichen Dörfern, die dem ionischen Meer zugewandt sind. Hier wird die Siglinde und Nicola angebaut, die besten Salatkartoffeln überhaupt. Aber auch die Sorten, die sich gut für Pommes Frites und Chips eignen werden hier produziert. Und man sieht gegen Mitte des Vormittags Traktoren mit Anhänger voll beladen mit Riesenkisten Richtung Dorf fahren. Dort warten schon die 32 Tonnen Lkws aus Deutschland, Holland und Belgien, um die Ware so schnell wie möglich gen Norden zu schaffen. Es ist richtig was los im Monat Mai in einem salentinischen Dorf!

Der Wonnemonat Mai ist natürlich auch zum Heiraten da. Gerade hier im Salento bevorzugt man aber seit ca. 30-40 Jahren die heissen Sommermonate. Nicht, weil das Brautkleid günstiger ist, weil weniger dran ist, mitnichten. Dass im Hochsommer vermehrt geheiratet wird, liegt daran, dass man so alle fern lebenden Verwandten mit dabei haben kann. Extra mal so für ein Hochzeitswochenende aus dem Norden anzufahren oder gar aus Belgien, der Schweiz, Frankreich und nicht zuletzt Deutschland ist aus offensichtlichen Gründen nicht möglich. Daher wartet das Brautpaar, bis die meisten Verwandten sowieso in die heimatlichen Dörfer zurückkommen, um die Urlaubswochen dort mit Kind und Kegel zu verbringen. Dann kann man sicher sein, dass man zwischen 80 und 90% der Verwandten, die man gerne dabei haben möchte (oder muss, je nach dem, wer die Hochzeit ausrichtet…) „erwischt“ zu haben. Aus diesem Grunde werden die Hochzeitstermine auch mit den wichtigsten Verwandten lange vorher abgesprochen. Die Urlaubsplanung in den mitteleuropäischen Unternehmen hängt nicht zuletzt auch mit dem Hochzeitswunsch vieler italienischer Paare zusammen.

In den letzten 20 Jahren leben und arbeiten die Brautpaare immer häufiger im Norden oder sogar im Ausland und kommen heim, um zu heiraten. Oft haben sie sich am Arbeitsplatz weit weg kennengelernt und keinesfalls sind sie immer aus derselben Gegend. Dann wird’s noch teurer, denn man muss ein Bankett im Geburtsort des Bräutigams UND eins im Geburtsort der Braut ausrichten, dass gehört sich noch heute so. Geheiratet (immer häufiger auch nur standesamtlich, wenn’s der zweite Anlauf ist, oder – auch immer häufiger bei Paaren jenseits der 30, weil die Kirche einfach nicht mehr als zeitgemäß empfunden wird) wird im Geburtsort der Braut. Das ist Tradition.

Apropos Hochzeitsbankett: Die letzte Hochzeit, an der ich teilgenommen habe, war eine mit nur 150 Geladenen. Also vergessen Sie die horrenden Zahlen der geladenen Gäste, 200, 300, gar 400 Personen kann sich heute nur noch ein Großindustrieller oder Onorevole („Ehrenwerter“ – zu gut Deutsch: Mitglied der einen oder anderen italienischen parlamentarischen Kammer) leisten. Das sind bekanntlich die bestbezahlten Politiker Europas. Die modernen Akademiker-Brautpaare oder mindestens gut gebildeten, die auch ein einigermaßen gutes Auskommen aufweisen, halten’s heute wesentlich schlichter. 50 – 100 Leute (ja, das ist für italienische Verhältnisse schlicht) sind heute eher die Regel. In den letzten Jahren auch weniger als 50 Personen.

Worin besteht denn so ein süditalienisches Hochzeitsbankett? Nun, da wäre mal der Aperitivo. Der wird, wenn die Brautpaare selbst schon öfter bei Hochzeiten dabei waren und aufmerksame Gastgeber sind, ausgegeben, so lange das Brautpaar noch in irgendeiner „location“ beim Fotografieren ist. Er besteht aus Prosecco, leckeren, farbigen Aperitiven, und Häppchen bis zum Umfallen. Auf riesigen Silbertabletts werden hunderte Hors d’Oevres gereicht. Man steht, meistens vor dem Restaurant oder in der Eingangshalle, der eigentliche Festsaal wird erst im Beisein der Brautleute betreten. Immer häufiger wird sehr viel Rücksicht auf die Gäste genommen und der Fototermin fällt relativ kurz aus, schon allein, weil die digitale Fotobearbeitung aus wenigem seeeehr viel machen kann, aber auch, weil die Fotografiererei sehr viel Geld kostet, das Album macht anschließend locker noch mal 1.500 Euro, wenn ein Film dabei ist….das doppelte. Immer mehr Brautpaare stellen daher Freunde zum Fotografieren ab und beschränken die offiziellen Fotos auf ein Minimum. Schon, um sich auch noch das Gedeck des Fotografen plus ein bis zwei Gehilfen zu sparen, denn die essen gratis mit, wenn sie während des Banketts auch noch fotografieren müssen. Nach Ankunft des Brautpaares und verschiedener Hoch-Rufe dann endlich das eigentliche Gelage: Primi….mehrere. Unter drei verschiedenen Pasta- und Reisgerichten geht nichts. Dazwischen werden in aller Öffentlichkeit Geschenke übergeben. Vornehmlich das Geschenk der Schwiegermutter an die Braut, die ihre Schwiegertochter mit Gold beschenkt. Sehr oft höre ich, dass das Brautpaar die Schwiegermutter dringend gebeten hat, davon Abstand zu nehmen, heute werden solche demonstrativen Aktionen der „Aufnahme in die Familie“ von den jungen Leuten eher als peinlich gewertet. Dann der „fast-Eklat“ während des Festes, die Schwiegermutter schickt alle Ermahnungen in den Wind und bittet sogar, die Musik abzustellen, damit alle mitbekommen, was da verschenkt wird. Das ist hier der eigentliche Generationskonflikt. Viele rituelle Handlungen während dieser Feierlichkeiten sind althergebracht, aber auch sehr überkommen, denn beispielsweise das Geschmeide der Schwiegertochter umzuhängen bedeutete damals, zu zeigen, wie kreditwürdig die neue Familie war, war Gold doch sicheres Anlagegut für schwerere Zeiten. Das ist heute nun wirklich nicht mehr notwendig. Oder besser: der Bank egal, die will andere Sicherheiten…Trotzdem können’s die Schwiegermütter oft nicht lassen….ein erster Hierarchiekampf?

Man ist inzwischen auch weitgehend davon abgekommen, dass Mutter und Braut die Möbel aussuchen gehen. Der salentinische Mann möchte heute auch mit aussuchen, wo er sich künftig bettet. Daher geht der Trend in den letzten 10 Jahren auch in Richtung „Arte povera“ – mit „schlichter Landhausstil“ zu übersetzen, oder sogar in Richtung „Ikea-mobili“ – hell, nicht massiv, aber zeitgemäß, solange die Eltern „massiv“ mitzureden hatten, gab’s eher die schwerere Variante, je barocker das Schlafzimmer, desto besser….heute sind eher gemütliche Sitzecken und stilvolle Couchtische als meterlange Tafeln zum Beherbergen von mindestens 12 Personen angesagt (dafür ist in den neuen Wohnungen auch gar kein Platz mehr….).

Zurück zum Bankett. Der „secondo“ der erste zweite Gang ist da. Der Tisch mit dem Brautpaar steht übrigens immer abseits, meistens thront er auf einer Plattform, damit alle das Brautpaar sehen können. Daneben sitzen die jeweiligen Eltern vice-versa (also die Brauteltern beim Bräutigam und umgekehrt) und dann die Trauzeugen. Die werden übrigens beschenkt, als Dank dafür, dass sie das Amt übernehmen. Ich habe von PCs und wertvollen Uhren, dem neuesten Schrei auf dem Mobiltelefonmarkt und anderem gehört, nehmen Sie das nun einfach mal kommentarlos hin…das ist die bescheidene italienische Art. Man darf sich da nicht lumpen lassen, man will sich schließlich nichts nachsagen lassen.

Nun, der Secondo, meist ein Fleischgericht mit Beilagen, ist im Anmarsch. Je mehr geladene Gäste, desto gewöhnlicher ist oft das Menu. Erlesen wird’s wenn’s wenige sind. Dann kann man wirkliche Gaumenfreuden bei einer italienischen Hochzeit genießen. Meistens kommt dann auch schon das „Sorbetto al Limone“, dass den Fleischgaumen „räumen“ und für den Fisch-Gang präparieren soll. Danach also der Fisch, der den Brautleuten wird, falls es ganzer Fisch ist, filettiert wird, schließlich soll es kein Drama während der Hochzeit geben, weil der Bräutigam den Fisch nicht ordentlich zerlegen kann. Die restlichen Gäste müssen schauen, wo sie bleiben, ich meine, wie sie ihren Fisch zerlegt bekommen. Da können Sie übrigens auch sehen, aus welchem Grund die MAMMA nicht beim Sohnemann sitzt….das käme nicht besonders gut, wenn sie ihm die Happen mundgerecht auf dem Teller vorbereiten würde, nicht? Nein, ich bin böse. Wie gesagt, meistens wohnen die jungen Leute schon seit ihrer Studienzeit alleine und sind keinesfalls die Muttersöhnchen, als die sie immer beschimpft werden. Allerdings, wenn sie zu Besuch daheim bei Mamma sind….na das ist wieder ein Thema für sich…

Nach dem Fisch kommt die Frutta, das Obst. Danach bestimmt ein Gelato, ein Eis, und je nach Jahreszeit Erdbeeren, Kirschen oder andere Köstlichkeiten noch extra. Dann ist der Moment der Hochzeitstorte gekommen: Meistens begleitet von Wunderkerzen, dem Hochzeitsmarsch, Applaus und vielem Pipapo. Der Anschnitt ist wahrscheinlich auf der ganzen Welt derselbe und irgendwann gibt’s in den meisten Fällen den obligatorischen Hochzeitswalzer. So viel wie auf deutschen Hochzeiten wird in Italien nicht getanzt. Aber auch hier gibt’s Ausnahmen. Wenn Sie sich aber vorstellen, dass das Bankett selbst je nach Zahl der Gäste zwischen 5 und 7 Stunden dauert, wo und wann soll man da noch tanzen?

Café gibt’s immer an der Bar. Dann rollt man pappsatt zu den Brautleuten, die fix und fertig in ihren Stühlen hängen und bekommt „la bomboniera“ als Dankeschön für’s da gewesen sein. „La bomboniera“ ist in Italien so eine Sache für sich. Ursprünglich gab es nur die „Confetti“, die Mandeln mit Zuckerguss überzogen. Die waren in niedliche weiße Schleierfetzen gewickelt und drin war ein winziges Billet mit Namen der Brautleute und dem Datum. Diese Confetti gab’s immer in ungerader Zahl, die geraden Zahlen bringen Unglück. Das Tütchen sollte man dann sammeln, zum Zeichen dafür, auf wie vielen Hochzeiten man gewesen war. Dann bekamen die Confetti eine solidere Umhüllung, eine kleine Tablettendose oder ähnliches. Dabei war dem Kitsch keinerlei Grenzen gesetzt. Je verschnörkelter, desto besser. Rokoko pur. Entsetzlich. Modernere Varianten reichen von kleinen Svarovsky-Aschenbechern bis Mini-Vasen aus böhmischen Kristall. Sie sehen, auch hier wieder….nach oben ist alles offen. Meine liebste Bomboniere hängt noch heute bei mir im Wohnzimmer. Franco und Anna haben vor mehr als 20 Jahren geheiratet und es war meine erste echt italienische Hochzeit. Es waren damals 400 Gäste, die Verwandten und die Brautleute auf Jahre verschuldet und die letzten Gäste gingen um 5 Uhr morgens. Aber seine Bomboniere, die hab’ ich wie gesagt, noch heute. Franco musste ja irgendwo einsparen. Also hat er mit seinem künstlerischen Talent die Innenstadt seiner Heimatstadt Casarano selbst skizziert und die Bleistiftskizze vervielfältigen lassen. Der schlichte Rahmen gab dieser sehr persönlichen Bomboniere die richtige Bedeutung. Bravo Franco. Bis heute hat das keiner getoppt. Das ist auch die einzige, die ich behalten habe. Den ganzen anderen Kitsch hab’ ich verschenkt und vieles davon war aus Silber.

Wie funktioniert das „Geben-Nehmen-Spiel“ einer italienischen Hochzeit? Das Hochzeitsgeschenk ist so teuer, wie der jeweilige Gast und Anverwandte konsumieren. Heute kann der Preis für das einzelne Gedeck durchaus bei 30 – 70 Euro pro Person liegen, je nach Portemonnaie und Spendierlaune. Wie in Mitteleuropa auch gibt es ausgewiesene Hochzeitstische in den verschiedensten Geschäften, die von 30 bis nach-oben-offen Euro alles anbieten, was das Brautpaar ausgesucht hat. Aber sagen wir’s mal so. Die meisten haben heute schon einen Hausstand, wenn offiziell auch noch keinen gemeinsamen. Und immer häufiger wird der Tisch „virtuell“ aufgestellt, d.h. man „sammelt“ für die Hochzeitsreise oder was auch immer. Man schenkt also, was man dann auf der Hochzeit konsumiert. Engere Verwandte kommen da natürlich nicht so günstig weg.

Im Mai beginnt auch die beliebte Sagra-Saison. Was ist eine Sagra? Ich nenn’s immer „Fress-Fest“. Ich denke, das kommt der Sache am Nächsten. Im Salento gibt es immer, überall und für alles essbare eine Sagra: Sagra del Pesce fritto (frittierter Fisch) in Gallipoli, Sagra del pane (Brot) in Cursi, Sagra della bruschetta ortolana (Bruschetta mit Gemüse) in Vitigliano, Sagra della frisella (doppelt getoastetes Brot mit Auflagen) in Taviano, Sagra dell’ anguria (Wassermelone) in Melpignano, Sagra del Würstel con la Birra (muss ich das übersetzen???) in Tuglie, Sagra della Melanzana (Aubergine) in Mesagne, Sagra della patata (Kartoffel) in Felline, Sagra del mare e del riccio (Meeresfrüchte und Seeigel) in Porto Badisco….ich könnte jetzt noch eine Seite lang so weiterschreiben. Sie sehen….es ist für alle und jeden was geboten. Wie sieht denn nun eine Sagra aus?

Jede Sagra hat ein Thema. Auf dem Dorfplatz werden Stände errichtet, Frauen und Männer, die zum Sagra-Komitee gehören, in weißen Kitteln und Häubchen auf dem Kopf, um einem Minimum an Hygiene zu genügen, stehen und bereiten direkt in der improvisierten Schauküche diverse Gaumenkitzel vor. Jede Sagra hat auch ihre eigene Organisation, aber vorab ein Tipp: Schauen Sie sich direkt bei Ankunft den Ablauf an: Meistens gibt es eine einzige Kasse und dann geht man sich mit Zettelchen nacheinander alles holen, was man bezahlt hat. Vergessen Sie Tabletts. Sie müssen möglichst viele Hände mitbringen, denn das muss alles balanciert und zu Tisch gebracht werden…so es welche gibt. Das ist das Lustige an einer Sagra. Man muss richtiges Organisationstalent UND Geschicklichkeit beweisen. Schmecken tut’s allemal. Sagre beginnen wie gesagt im Mai und erfahren in den Sommermonaten ein Crescendo. Dann können Sie auswählen, wohin Sie abends essen gehen wollen, denn fast jedes zweite Dorf hat in den zwei Hochsommermonaten jeden Abend eine Sagra. Auf diese Weise kommt man auch rum, im Salento…

Oft ist Musikbegleitung inbegriffen oder für direkt nach dem Essen vorgesehen. Und um die Traditionen zu pflegen, spielt sehr häufig eine der vielen Pizzica-Gruppen des Salento zum Tanz auf.

Was ist Pizzica? Die Pizzica gibt es, genaugenommen, in allen Teilen Süditaliens in verschiedenen Varianten. Sie entstammt den Bauerntänzen aus früheren Zeiten, hat aber auch Einflüsse der Tarantella und gilt als Heiltanz gegen den Biss der Tarantel. Pizzica-Tänze gibt es mehrere: Pizzica-Taranta (Heiltanz, sehr frenetisch und extatisch), Pizzica de Core (Werbungstanz, wunderschöner Paartanz, bei dem so richtig schön auf die ursprüngliche Weise geworben und geflirtet wird) und es gibt die Pizzica-Scherma, darin bewegen sich die Männer zur Musik und mimen einen Schwertkampf. Auf den heutigen Volksfesten wird vor allem die Pizzica de Core getanzt. Die anderen beiden Varianten sind so stilisiert und ritualisiert, dass sie eher als Vorführung dienen. Sollten Sie aber mal hier im Salento sein und es gibt solche Vorführungen….lassen Sie sich die nicht entgehen.
Die Pizzica ist heute nicht einfach nur eine traditionelle Musikart. Sie ist ebenfalls nicht einfach nur ein traditioneller Tanz. Sie ist eine neu-entdeckte Lebensart. Heutzutage gibt es in vielen Schulen während des Schuljahres Pizzica-Tanzkurse, wo schon die Kleinen in den Scuole Elementari lernen, sich zur Musik zu bewegen und zu tanzen. Herz der Pizzica ist das Tamburello und seine ganz spezielle Art das Tamburello zu schlagen bedarf viel Übung. Der Rest ist pure Lebenslust.
Ich empfehle Ihnen bei Ihrem nächsten Salento-Urlaub dringend ein Volksfest mit Pizzicamusik. Sie ist heilsam, anregend, belustigend und lässt einblicken in das Land gestern....und heute.
Sie sehen, Feste gibt’s genug, gleich in welcher Variante. Land und Leute recken und strecken sich nach dem Sommer aus.

Lesen Sie bald….Juni. Beginn der Badesaison. Die Uhren im Salento werden umgestellt.

6 Kommentare:

simona doktor hat gesagt…

gut zu wissen !
Danke,Claudia.

sir henry hat gesagt…

intresant und gut zu lesen wie immer
gruss aus deem norden
henry

Littlepage hat gesagt…

Hallo Claudia

Ich mache nun schon seit 17 Jahren Ferien im Salento (Sanarica und Santa Cesarea Terme) aber ich habe in Deinem blog soviele interessante Sachen gelesen, die ich mir vorher gar nie überlegt habe. Muss alles mal ausdrucken und in Ruhe lesen!

Vielen Dank und einen lieben Gruss aus der Schweiz
Jenny

sir henry hat gesagt…

hallo
jenny
wen du fragen hast
claudia.salento@gmail.com
gruss aus finland
ein anderer ch
henry

Caorle Ferienhaus hat gesagt…

Vielen Dank für diese zu analysieren. Gut zu wissen!

3 stern hotel Jesolo hat gesagt…

Vielen Dank für diese Informationen , es ist gut zu wissen. Diese Veranstaltung ist immer wieder erstaunlich.